Zieht den neuen Menschen an
Predigt Julianadorp 9. Juli 2023
5. Sonntag nach Trinitatis, Kol. 3,12+14/ Eph. 4,24
[ES GILT DAS GESPROCHENE WORT]
Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
‚Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit‘ (Eph 4,24)
So steht es im Epheserbrief. Und an was denke ich gerade?
Schuhe.
Welche Schuhe zieht er an. Das waren meine ersten Gedanken, wie vor ein paar Wochen ein Kollege auf der Arbeit erzählt hat, dass er eine Woche Urlaub genommen hat, um den Jakobsweg zu laufen. Zum zweiten Mal bereits, bzw., einen zweiten Teil.
Nun war meine Verwunderung einerseits groß, dass ausgerechnet dieser Kollege den Camino de Santiago laufen wollte. Ich kenne ihn eigentlich eher als einen jungen Mann, der Spaß im Leben hat, sein spanisches Temperament immer wieder durchscheinen lässt, genauso flapsig neben der Arbeit ist wie er seine Arbeit ernst nimmt und der dann auf der Arbeit auch schon einmal eine Drag Queen ins Buero zu einem Event organisiert. Jemand, der extra zwei Stockwerke läuft, um Kaffee aus einer anderen Maschine zu holen.
Und da sitzt er nun neben mir im Buero und erzählt von seinem ersten Pilgerweg und was er sich vom Zweiten noch erwartet.
Lustig, dass er auch von dem deutschen Comedian gehört hat, der wohl einen Film ueber seinen Jakobsweg gemacht hat. HaPe hat mittlerweile nicht nur Kultstatus, sondern auch fast Weltruhm erreicht.
Und er erzählt das und ich denke die ganze Zeit: hat er wohl das richtige Schuhwerk dabei. Naja, vielleicht liegt es doch daran, dass ich der Enkel von einem Schuhmacher bin.
Ein Aufbruch und eine Reise zu sich selbst und Gott. Das ist es um was sich dieser heutige 5. Sonntag nach Trinitatis dreht.
Die Geschichten der Berufungen der Jünger haben hier genauso ihren Platz, wie die Berufung von Abram oder Paulus.
Aber irgendwie komme ich dieses Mal nicht ueber die Frage nach den Schuhen und überhaupt der Kleidung hinweg, die man bei so einem Abenteuer tragen sollte.
Den letzten Anstoß, um mir heute Morgen ueber Kleider Gedanken zu machen hat übrigens Jeanette mir gegeben, die ich vor einiger im Supermarkt getroffen hatte und wir ueber meine Zehenschuhe gesprochen haben.
Kleider machen Leute und Kleider lassen Leute ab und zu schon einmal miteinander sprechen. Der einzige Grund diese Schuhe zu tragen, behaupte ich ab und zu.
Da steht dann dieser Satz aus dem Epheserbrief, ‚Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit‘.
Wenn ich an Kleider in der Bibel denke, dann ist dieser Satz aus dem Epheserbrief sicher nicht der erste, zweite oder überhaupt ein Satz, an den ich normalerweise direkt denken würde.
Denke ich an Kleider in der Bibel, dann ist das erste Kleidungsstück, an das ich denke, meistens erst einmal das Prachtgewand von Joseph. Dann kommen die Kleider Jesu, die unter seinem Kreuz unter den Henkersknechten verteilt oder verspielt werden. Und wenn ich dann so darüber nachdenke, dann kommen mir die ersten Kleider überhaupt in den Sinn, die in der Bibel erwähnt werden.
Zu diesen ersten Kleidern steht in Gen 3,21 geschrieben:
Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.
Das Wort Rock wird oft auch mit Kleidern übersetzt oder auch Mäntel. Wie genau diese Kleidung nun ausgehen hat, ist aber eher unerheblich. Auffallend ist trotzdem, dass zum einen Gott der erste Schneider ist, da ihm der provisorische Schutz aus Blättern anscheinend unzureichend erschien und zum anderen ist es in egal welcher Übersetzung immer Tierhaut bzw. Tierfell, in das er die beiden ersten Menschen einkleidet.
An sich sollte man ja erst einmal meinen, dass nach dem ersten Mal, dass Menschen sich gegen Gottes Wort gewandt hatten, Gott sich recht wenig darum schert, was die beiden von nun an tragen, denn eigentlich erinnert das Tragen von Kleidung ja permanent an eben diesen Sündenfall. Eigentlich könnte man fragen, warum Gott überhaupt Kleider zugelassen hat.
Glücklicherweise überwiegt die Fürsorge Gottes bei der Einkleidung der beiden. Kleidung dient ja in erster Linie der ganz existentiellen Funktion von Schutz des Körpers vor Kälte und Witterung. Genauso wie Nahrung oder Obdach zählt Kleidung zu den Grundbedürfnissen des Menschen, auf deren Erfüllung auch laut Bibel besonders geachtet werden soll, wie z.B. in Jes 58,6f angemahnt wird:
„Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe … Besteht es nicht darin, dein Brot dem Hungrigen zu brechen und dass du heimatlose Elende ins Haus führst? Wenn du einen Nackten siehst, dass du ihn bedeckst und dass du dich deinem Nächsten nicht entziehst?“
Kleider geben als Nächstenliebe, haben wir nicht ein ganzes Fest, das sich um das Teilen eines Mantels dreht, oder welches dieses Motiv zumindest als Hauptthema hat?
Aber zurück zur Frage, warum hat Gott den Menschen eingekleidet. Neben dem erst einmal direkten Grund des Schutzes vor den Elementen, ist es auch der Schutz vor den Blicken der anderen.
Gott lässt sich auf die Folgen der Sünde, die nun mal da sind, ein und berücksichtigt sie für seine Schöpfungsbewahrung in einer gefallenen Welt. Es wäre ausgesprochen dumm, wenn wir das nicht wertschätzen würden. Manchmal begegnet uns ja diese Auffassung: Man müsse die Menschen nur zum Tun des Guten und zum Gebrauch ihrer Vernunft ermutigen, dann würden sie sich entsprechend verhalten, und man bräuchte das Böse nicht mehr zu bekämpfen. Mit Gottes Wort setzen wir die nüchterne Erkenntnis dagegen: Solange wir in dieser gefallenen Welt leben, können wir das nicht ignorieren und brauchen anständige Kleidung, Polizisten, Türschlösser, Kassenprüfer und vieles andere, das dem bösen Kern in uns Rechnung trägt. Auch wenn es diese Dinge nur wegen der Sünde gibt, so sind sie doch gute Gaben Gottes.
„Vertraue auf Gott, aber schließe dein Auto ab.“ lautet ein Sprichwort. Vielleicht wäre besser zu sagen: „Vertraue auf Gott und schließe dein Auto ab.“
An diesem Punkt habe ich neulich Pause beim Predigtschreiben gemacht und wie ich Samstagmorgen wieder angefangen habe, war das der letzte Satz. Und auf der einen Seite fühlte es sich an, wie so kann die Predigt heute Morgen enden.
Vertraue auf Gott und schließe dein Auto ab.
Dann aber kam die Erkenntnis zum einen, dass ich ein Faulpelz bin, dass ich eine sehr kurze Predigt hätte, selbst für einen Gottesdienst zu so einer komischen Zwischenzeit. Zum anderen ist es aber auch noch nicht rund.
Was hat der Satz ‚Zieht den neuen Menschen an‘ denn jetzt im Zusammenhang von Kleidern einerseits und neue Wege gehen andererseits zu tun.
Zieht den neuen Menschen an und mit was. Sind das äußere Kleidungsstücke, wie Mantel, Rock, Schuhe oder geht es doch um innere Auskleidung, mit Werten wie herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und über allem die Liebe? Habe ich heute morgen, als ich aufgestanden bin, nicht nur auf mein Äußeres Acht gehabt, sondern auch auf das Innere?
„Ich selber kann und mag nicht ruh’n“ war der letzte Vers, den wir vor der Predigt gesungen haben.
Das gehört irgendwie zu diesem innerlichen Ankleiden. Miteinander heute Morgen hier singen, beten, bitten und danken, auf Gottes Wort hören und es uns zu Herzen gehen lassen.
Das wird oder sollte in unserm Alltag nicht ohne Folgen bleiben. Das hat – hoffentlich – seine Auswirkungen, positive Auswirkungen im Umgang miteinander und mit anderen. Das macht uns fähig, in bestimmten Situationen freundlicher und gelassener und demütiger zu sein. Nicht so sehr auf das bedacht zu sein, was uns selber nützt, sondern was unserm Nächsten dient. Zum innerlichen Ankleiden gehört auch, dass wir Gottes Wort reichlich unter uns wohnen lassen, so steht es in Kol 3,12-14,16:
12 Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! 13 Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist! Und etwas weiter heißt es 16 Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch.
Auf diesen letzten Teil des „Wohnen lassen“ bin ich in einer anderen Predigt gestoßen. Und der Gedankengang des Predigers war, dass das zwanglos klingt. Nicht nach: Du musst aber jeden Tag Andacht halten. Oder: Du musst jeden Tag in der Bibel lassen. Sondern das klingt nach: Raum geben, Möglichkeiten entdecken, wie mir das Wort im Alltag nahekommen kann.
Dieser Gedanke ist etwas, das mich eine Wortwahl ein paar Sätze vorher überdenken lässt: ich hatte es ueber den bösen Kern in uns. Wenn wir aber Gottes Wort in uns wohnen lassen, verdrängt das dann nicht diesen bösen Kern? Gottes Wort und unser böser Kern, vertragen die sich als Nachbarn, wenn sie in uns wohnen?
Noch einmal zu meinem pilgernden Kollegen und seiner Kleidung. Ganz sicher hat er nicht die Kleidung auf dem Camino getragen, die er im Buero an hat und umgekehrt kann ich mir das auch nicht vorstellen.
Wenn ich gleich nach dem Gottesdient Richtung Schwimmbad aufbreche, dann ziehe ich mich nachher auch noch einmal um. Mindestens einmal, denn eigentlich steht auf dem Programm erst Wettkampf schauen, dann Sommerfest und selber schwimmen. Wenn das Wetter hält.
Kleiderwechsel. Die richtigen Kleider für die richtige Situation oder passende Kleidung je nach Wetterlage. Kleiderwechsel aber auch um hin und wieder mal was anderes anzuhaben. Schmutzige Kleider sehen nämlich nicht nur unschön aus, sondern können auch gewaltig riechen. Und sprechen wir es ruhig aus: sie können zum Himmel stinken.
So ist es auch mit den inneren Kleidern. Hin und wieder müssen wir diese quasi lüften. Urlaub ist so ein Moment, um mal durchzulüften. Neue Wege ausprobieren.
Auf der Seite Kirchenjahr evangelisch steht seit Jahr und Tag für den heutigen Sonntag die gleiche Handlungsempfehlung für den heutigen 5. Sonntag nach Trinitatis uns heute will ich diese dann doch ein erstes Mal gebrauchen und als Abschluss vorlesen:
Drauflosgehen
Wie ist das wohl, alles stehen und liegen zu lassen und zu vertrauen? Eine Übung hilft dazu.
Dazu brauchen Sie mindestens zwei Stunden Zeit. Legen Sie ihre Uhr ab, lassen Sie Ihr Handy daheim und machen sich einfach auf den Weg – ganz egal ob zu Fuß oder mit der Straßenbahn. Nehmen Sie sich keine feste Route vor, sondern lassen Sie sich von Ihrer Lust leiten. Wie fühlt es sich an, einmal keinen Plan zu haben? Spüren Sie die Freiheit – oder auch die Unsicherheit, wohin es gehen soll? Wie wäre das – nur aus dem Vertrauen zu leben? Geht das überhaupt? Vielleicht möchten Sie Ihre Gedanken in einem Gebet vor Gott bringen.
AMEN
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
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