Predigt zu Gen 50 15-21
[Es gilt das gesprochene Wort, Predigt im Rahmen meines homiletischen Hauptseminars in Rod an der Weil, Mai 1999)
Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
sie alle kennen sicherlich den Ausspruch „Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“.
Bei der Vorbereitung auf meine heutige Predigt ist mir dieses Sprichwort in denSinn gekommen, denn die Hauptperson des Textes, um den es heute geht, der hat mit Sicherheit mehr als nur einmal gedacht „es geht nicht mehr“.
Ich bin sicher, daß sie alle die Geschichte von Josef, dem Lieblingssohn von Jakob,und seinen Brüdern kennen. Er war der zweitjüngste und wurde umsorgt von seinem Vater und ohne Ende verwöhnt.
Wir alle können, glaube ich, die Eifersucht begreifen, die seine Brüder dann veranlaßt hat, ihn nach Ägypten zu verkaufen.
Dort aber, in dem fremden Land, schafft es Josef, sehr schnell durch seinen Fleiß und seinen Verstand und vor allem die Führung Gottes, daß er es so schlecht hat, obwohl er ein Sklave ist.
Allerdings endet sein Glück je als Potifars Frau Josef verleumdet und dafür sorgte, daß er ins Gefängnis mußte.
Aber auch von dort schaffte er es durch Gottes Hilfe dann sogar bis zum Berater Pharaos, also zum zweitmächtigsten Mann Ägyptens, ja vielleicht zu dieser Zeit sogar zum zweitmächstigsten Mann der Welt.
Josef verhindert nun, daß eine schreckliche Hungersnot das ganze Volk vernichtet. Bei dieser Gelegenheit trifft er auch seine Brüder wieder, die bei ihm Nahrung kaufen wollen.
Er gibt sich nicht sofort zu erkennen, sondern spielt erst einmal eine Weile mit ihnen Katz und Maus und spielt ihnen dabei ganz schön übel mit.
Am Ende gibt er sich ihnen dann aber doch zu erkennen und verzeiht ihnen. Zusammen mit ihrem Vater bleiben die Brüder bei Josef in Ägypten. Nach einiger Zeit stirbt Jakob und wird von seinen Söhnen begraben. An dieser Stelle nun ereignet sich das, was unser heutiger Predigttext erzählt, kurz nach der Bestattung Jakobs:
Gen 50, 15-21
Ich kann mir nicht helfen, ich fand diesen Großmut, den Josef an dieser Stelle an den Tag legt, schon als kleines Kind immer bewundernswert. Wenn man sich überlegt, was die Brüder ihm angetan haben und wie es vielleicht auch hätte alles anders laufen können, da erscheint der Edelmut Josefs doch wirklich ungeheuer. Warum kann er ihnen so einfach vergeben?
Die Antwort gibt Josef selbst: Gott war es, der alles gut machte. Alles, was geschah, endete durch die Fügung Gottes gut.
Gott war das Lichtlein, das Josef all die Jahre, ja Jahrzehnte begleitete und immer wieder dann am hellsten leuchtete, wenn man schon den Eindruck hatte, jetzt ist’s um Josef geschehen.
Gott als das Licht, das uns in schweren Tagen die Welt erhellt – eigentlich für uns Christen ein ganz leichter Schluß, schließlich spricht auch Christus von sich als dem Licht der Welt.
Wenn ich es mir recht überlege, dann entspricht die Josefsgeschichte doch genau dem, was wir heute von einem guten Disney Film erwarten. Bösewichte, ein tragischer Held und natürlich ein überragendes Happy End, in dem sogar die Bösen ihren Platz haben.
Die Aussage, daß Gott das Böse, das sich Menschen ausgedacht haben in Gutes wandelt, das kann man doch schöner nicht sagen.
Der liebe Gott wird’s schon richten!
Und eigentlich könnte mit dieser Aussage meine Predigt schon vorbei sein.
[MUSIK]
Ich wäre ein schlimmer Zyniker, wenn meine Predigt hier enden würde, denn leider leben wir eben nicht in einer Hollywoodkulisse.
Menschen tun einander Leid an, oft ohne die Chance, es wieder gut machen zu können. Wir führen Kriege, Mütter müssen um ihre gefallenen Söhne weinen, Frauen werden vergewaltigt, unschuldige Kinder verhungern – und wir?
Fällt uns nicht auch genug ein, wo wir schon einmal gefragt haben, wo ist der liebe Gott, der so viel Gutes tut?
Und wir befinden uns dabei in guter Gesellschaft!
Jesus selbst hat auch durchmachen müssen, was es heißt in schwerster Not zu sein. Jesus selbst wurde doch wie Josef auch verleumdet, verlassen, verraten und verkauft. Jesus selbst rief „mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Aber das alles ohne das schöne Ende, daß Josef erleben durfte. Der Mensch Jesus mußte sterben.
Für die Jünger ist damals eine Welt zusammen gebrochen. Unwiderruflich war alles zu Ende.
Sie hatten einen geliebten Menschen verloren, den Menschen, der in den Monaten vor seinem Tod ihren ganzen Lebensinhalt ausgemacht hat. Diese Verzweiflung kann wahrscheinlich jeder nach vollziehen, der auch einen geliebten Menschenverloren hat. Auch Jakob verspürte dies, als er glaubte Josef verloren zu haben. Im Unterschied zu Jakob und den Jüngern aber bleibt bei uns das Happy End oft aus. Tote sind und bleiben nun einmal tot.
Ich meine, wer von uns kann schon von sich behaupten, daß er oder sie durch erfahrenes Leid und Unrecht ein Leben gerettet, oder gar ein ganzes Volk gerettet hat? Oder wem erscheint das Sterben eines geliebten Menschen schon gerecht?
Sehr oft ist diese Welt eben einfach ungerecht. Und sehr oft fragen auch wir uns, Gott, wo bist du?
Und sehr oft müssen wir fest stellen, daß wir ihn nicht erkennen können.
Wir fühlen uns alleine und im Stich gelassen.
Dies wäre ein anderer möglicher Schluß für diese Predigt.
[MUSIK]
Würde ich meine Predigt hier beenden, dann wäre dies einerseits sehr trostlos.
Ich würde aber auch etwas sehr wichtiges verschweigen: Auf Karfreitag folgt nun einmal Ostern! Jesus ist wieder von den Toten auferstanden und letztlich wissen wir, daß dies unser aller Rettung bedeutet.
Wenn ich heute Abend hier stehe und nachdenke, wann ich schon einmal in einer Lage war, in der ich mir von Gott verlassen vorkam, dann kann ich glücklicherweise nur sagen, daß mir bisher noch nichts passiert ist, was mich dies meinen ließ.
Darum klingt es vielleicht auch ein bißchen wie Hohn, wenn ich nur dazu auffordern kann dieses Licht Gottes auch und gerade in kleinen Dingen zu suchen und hoffentlich zu finden – gerade auch in schlimmen Zeiten.
Denken sie doch einmal selbst darüber nach: wann waren sie vielleicht einmal in einer ausweglos erscheinenden Lage und sind dennoch glimpflich davon gekommen, oder wo waren sie bereits am Abgrund und sind dennoch nicht abgestürzt?
Die Älteren von Ihnen denken dabei vielleicht an Kriegserlebnisse, an Hunger in Deutschland; die Generation meiner Eltern denkt vielleicht an die Probleme und Ängste vor Arbeitslosigkeit, ein Problem, das auch bei meinen Altersgenossen aktuell ist. Die wieder etwas jüngeren denken vielleicht an die Schule, daran wie knapp die Versetzung war.
All diese Probleme sind sehr unterschiedlich was ihren tatsächlichen Schaden angeht. Trotzdem haben all diese Ängste ihre Berechtigung und können Existenz, ja fast lebensbedrohend wirken. Sogar etwas banales, wie eine verhauene Schulklausur.
Geradeda sind aber wir gefragt, uns gegenseitig Trost und Unterstützung zu geben. Klar kann keiner von uns etwas gegen jedermanns Arbeitslosigkeit unternehmen, aber jeder von uns kann Verständnis zeigen für die Nöte und Ängste, die den anderen bewegen. Oft kann dies schon ein erster Lichtschimmer sein. Gerade andere Menschen können nämlich das Gute oder sogar der Fluchtweg in und auseiner ausweglosen Situation sein.
Noch nicht einmal die Beseitigung einer schlimmen Situation kann zeitweise so heilsam sein, wie die Erfahrung der Nähe und ehrlicher Liebe anderer Menschen.
Ich möchte aber doch noch ein Beispiel für etwas Gutes anführen, daß erst aus dem Leiden entsteht. Ich selbst kenne die Schmerzen bei einer Geburt nicht und werde sie auch nie kennen lernen, aber ohne diese Schmerzen käme kein neues Leben auf die Welt. Aus den vielleicht schlimmsten Schmerzen, die eine Frau in ihrem Leben aushalten muß, erwächst das Schönste, was sie je in ihrem Leben haben wird. Und ganz schnell sind diese Schmerzen dann vergessen. Fragt man eine Mutter, ob das Kind diese Schmerzen wert war, dann wird sie dies mit „ja“ beantworten.
Es gibt aber noch viele andere Situationen, wo wir einfach vielleicht nur unsere Augen öffnen müssen dafür, wo vielleicht aus einer vermeintlichen Niederlage ein Sieg für uns raus kommt, sei’s in der Schule, auf der Arbeit, in einer Partnerschaft oder Ehe, oder sonst wo.
Ich möchte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es wirklich Situationen gibt, wo dieser Satz, mit dem Licht, eher wirklich wie Hohn klingt, etwa wo einer lange Zeit keine Arbeit finden kann, oder wo eine Ehe oder Partnerschaft zerbricht. Am schlimmsten erscheint dieser Satz aber im Angesicht des Todes. Entweder des eigenen, aber auch des eines nahestehenden. Der Tod ist unausweichlich für jeden von uns und nichts kann darüber hinweg täuschen, daß er oft mit viel Schmerz und Leid verbunden ist. Die Ausrede des Gnadentods ist, oder scheint da doch ein sehr schwacher Trost.
Hier kann ich nur auf meine eigene Hoffnung und meinen Glauben vertrauen und diesen mit ihnen hoffentlich teilen, daß auch der Tod seinen letztendlichen Stachel verloren hat und in der Hand Gottes liegt und wir deshalb auch den Tod nicht fürchten müssen, so lange wir das Sterben nicht fürchten müssen.
Um aber auf Josef zurück zu kommen: er war sich in seiner Rückschau auf sein Leben sicher, daß Gott bei ihm war, in der Grube, auf dem Sklavenmarkt, im Kerker und auch später, als er der Berater Pharaos war.
Und ab und zu hat sich dieses Licht am Ende des Tunnels auch wirklich gezeigt. Für ihn war Gott dieses Licht, das ihm geholfen hat.
Ich wünsche uns allen, daß wir diese Gewißheit, der Nähe Gottes und der Liebe Gottes uns bewahren und dort, wo wir sie verloren haben, daß wir sie wiederfinden, vielleicht ganz zufällig, nur für uns, vielleicht im Gebet, oder aber auch in einem anderen Menschen, durch den sich Gott uns zeigt.
Man könnte diesen Wunsch auch mit dem Satz eines anderen Christen ausdrücken, der vielleicht genau diese Erfahrung der Nähe Gottes gemacht hat:
Der liebe Gott hat mich nicht in die Welt gesetzt, um mich allein zu lassen.
ER läßt uns nicht allein, sondern ist bei uns alle Tage, bis an der Welt Ende
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere menschliche Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Chritus. Amen.
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