Predigt in Julianadorp am 04. August 2019, 7. Sonntag nach Trinitatis
[ES GILT DAS GESPROCHENE WORT]
„Der Weizen wächset mit Gewalt“, so dichtet Paul Gerhardt in seinem Lied, das wir gerade gesungen haben. Ein wenig habe ich den Verdacht, dass diese Strophe eigentlich ein wenig spät kommt. Wir waren vor zwei Wochen im Urlaub und sind mit dem Zug nach Hamburg gefahren und auf der Hinfahrt haben wir so bei ganz vielen Feldern gedacht: die sind demnächst reif. Auf der Rückfahrt dann ein paar Tage später standen auf etlichen dieser Felder nur noch Stoppel und lagen Strohballen herum.
Bei mir werden da Erinnerungen wach an Sommertage in meiner Kindheit, die auf dem Dorf verbracht hab und auch an Urlaubstage in Deutschland, in denen bis spät in die Nacht die Geräusche von Mähdreschern und Traktoren zu hören waren. Hier oben in Julianadorp ist das mit den Blumenbollenfeldern ein bisschen anders oder vielleicht wohne ich auch einfach nur tiefer im Ortskern, um von den Erntearbeiten hier weniger mitzubekommen.
Nach Reis ist Weizen weltweit auf Platz 2 der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Knapp 60 Kilo Brot essen wir im Durchschnitt (wir Deutschen etwa 58 und ihr Niederländer angeblich 62), das ist immer noch eine Menge. Vor 200 Jahren war das noch viel mehr, als tägliches Brot wirklich tägliches Brot hieß und die Menschen bis zu 300 KG Brot jährlich gegessen haben.
Und wie herrlich duftet frischgebackenes Brot oder Brötchen in der Tüte vom Bäcker.
Fragen sie einmal 100 Deutsche, die ins Ausland ausgewandert sind, was sie am meisten vermissen. In den Top 5 von 95% dieser Leute werden Sie Brot finden. Von den anderen 5% haben 2 % eine eigene Bäckerei eröffnet und verdienen sich eine goldene Nase, 1% leidet unter Glutenunverträglichkeit und die anderen 2 % haben die Frage nicht verstanden, weil sie nach 15 Jahren auf Mallorca noch immer kein Wort Spanisch können.
Es überrascht daher auch wenig, dass Brot in unzähligen Bräuchen, Redewendungen und Sprichwörtern vorkommt. Das ist bis heute so und war auch zu Zeiten Jesu bereits so. So wundert es nicht, wenn so ein begnadeter Prediger wie Jesus mehrfach Brot in seinen Gleichnissen verwendet und auch mit Brot Zeichen hinterlässt, um seine Botschaft zu verdeutlichen.
So haben wir vorhin von der Speisung der 5000 gehört.
Meine Frau sagt hin und wieder, wenn sie so die Krümel betrachtet, die nach einem ausgiebigen Frühstück mit vor allem Croissants bei uns auf dem Boden liegen, dann hat sie so eine Ahnung und Idee, wie das mit den 5000 Menschen mit nur 5 Broten funktioniert haben soll.
Ein weiteres, allsonntägliches Beispiel für Brot im Gottesdienst ist das Vater unser: wir bitten nachher auch wieder zusammen um Brot, unser tägliches Brot.
Und so spielt Brot eine große Rolle heute aber auch in der Bibel.
Die Geschichte der Speisung der 5000 findet dabei ihren eigentlichen Höhepunkt einige Zeit später und auch dann bezeichnenderweise wieder in einem Brotvergleich.
Jesus hat sich den Menschen, die in seiner Gegenwart satt geworden sind, erst einmal auf dem Seeweg entzogen. Es scheint fast, als wäre ihm die Reaktion der Menschen auf die Speisung unangenehm oder sogar unangemessen.
Wir Menschen denken halt erst einmal mit unserem Bauch. Und das ist auch nicht völlig falsch, denn dieses Bedürfnis wird von Jesus ja auch erst einmal gestillt.
Das Zeichen und die Botschaft oder Botschaften dieser Wundergeschichte bleiben aber erst einmal verschlossen.
Wären wir anders? Würden wir Jesus nicht auch erst einmal nur als unseren Brotautomatzen sehen? Wäre es uns nicht egal, was die Botschaft dieses Mannes ist, so lange er uns satt macht?
Oder uns vielleicht Kredite ohne Zinsen verspricht oder kostenloses W-Lan wo auch immer wir stehen und gehen?
Leicht wäre es jetzt eine politische Predigt hieraus zu machen, aber so wenig wie Jesus damals zugelassen hat, dass sein Zeichen politisch instrumentalisiert wird, denn er wollte nicht, dass sie ihn zum König machen, so wenig will ich hier fortfahren.
Ich will vielmehr auf zwei Besonderheiten oder Auffälligkeiten der Speisungsgeschichte bei Johannes eingehen. Wie ich vor der Lesung bereits gesagt habe, kennen alle vier Evangelien die Speisung der 5000. Alle vier haben dabei ihre Eigenarten, die eine Version mehr als die andere, aber jeder Evangelist erzählt die Begebenheit aus einem etwas anderen Blickwinkel.
Bei Johannes fällt nun unter anderem zweierlei auf:
Zum einen ist es ein Kind, das bei Johannes die Brote und Fische bei sich hat. Ein Kind bringt die Lösung oder trägt zumindest zur Lösung bei. Ein Hinweis darauf, dass sich Jesus immer wieder auch denen zuwendet, die eigentlich in der menschlichen Hackordnung unten stehen. Die nichts zu melden haben. Gerade diese Menschen und ihren Beitrag schätzt Jesus. Ein kleiner Junge, der die entmutigten Stimmen der Jünger Lügen straft und Jesus das kleine Stückchen liefert, aus dem ein Wunder entsteht. Was kann ich schon verändern? – fragen wir uns das nicht auch manchmal?
Ich könnte nun wieder der Versuchung erliegen und mit Jugend und Kindern argumentierend über Fridays for Future ein politisches Thema anfangen, aber machen wir lieber was anderes.
Ich habe noch etwas mitgebracht: ein Messer.
Ihr Kinder hinten, wollt ihr ein Stück Brot? Ist doch mal was anders, als wenn ich hier vorne immer nur rede? Bloß reden bringt’s ja nicht, auch mal machen.
Kriegt ihr das hin, die Scheiben unter euch zu brechen und zu teilen?
[Brot austeilen, weniger Scheiben als Kinder da sind!]
Die Kinder kriegen das hin.
Teilen.
Das, was man hat, mit anderen teilen. Das macht nicht nur satt, sondern das schafft auch Gemeinschaft unter uns Menschen.
Es gibt von den SOS Kinderdörfern einen Werbespot aus dem Jahr 2017, „Leos Geheimnis“. Er erzählt von einem Jungen, der jeden Tag in der Schule mit einer leeren Brotdose dasitzt, bis schließlich der Lehrer daheim anruft um zu fragen was denn da los ist. Die Mutter kapiert erst gar nicht, wie das sein kann, schließlich packt sie ihrem Leo jeden Morgen ein Butterbrot ein. Sie beschließt ihm zu folgen und findet heraus, dass er sein Brot vor der Schule einem Mädchen gibt, das in dem Video deutlich als arm gekennzeichnet wird.
Das ist ein radikales Opfer des Kleinen – alles geben – und dramaturgisch natürlich so gewollt. Das es auch anders geht, zeigt ein ähnlicher Spot aus Finnland, in dem eine Klasse dem Klassenkameraden, der nichts dabei hat, die Brotdose füllt: mit ein paar Trauben, einem Stückchen Brot, einer Apfelspalte.
Jeder gibt ein wenig.
Glaube ist etwas Praktisches! Da geht es auch darum, miteinander und füreinander da zu sein.
Brot zu teilen –
Zeit zu teilen –
Sorgen zu teilen –
Freude zu teilen.
Brot für deinen Freund und Brot für die Welt.
Nicht umsonst heißt die evangelische Hilfsorganisation so: Brot teilen, mit denen die mir nahe sind, und mit denen, die weiter weg leben.
Das bringt uns zur zweiten Beobachtung an diesem Text von Johannes, denn dann macht Jesus aus und mit den Gerstenbroten und den Fischen etwas ganz Besonderes. Er segnet sie und teilt sie. „Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen.“
Klingt ein wenig wie „Er nahm das Brot, dankte, brach es und gab es seinen Jüngern …“.
Ausgerechnet im Johannesevangelium, das selber keinen Bericht über das letzte Abendmahl und die Stiftung unseres Abendmahls enthält. Vielleicht aber auch gerade deshalb.
Um diesen Gedankengang nun rund zu kriegen, muss ich etwas springen. Einen Tag weiter in der Geschichte, wie sie bei Johannes erzählt um genau zu sein. Die Menschen suchen Jesus und finden ihn schließlich.
Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du? Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht in Psalm 78,24: »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.« Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Lasse ich die Werbewelt einmal auf der einen Seite, dann habe ich auf der anderen Seite in meiner Schulzeit und auch im letzten halben Jahr als Lehrer an einer Schule, die andere Seite gesehen. Da liegen dann Pausenbrote und zum Teil andere völlig gute und leckere Nahrungsmittel auf einmal im Müll. Ehrlich: auch meine Kinder bringen hin und wieder mal ihre Brote oder halbe Brote wieder mit heim.
Keine Zeit zu essen, kein Hunger oder schmeckt nicht.
Und jetzt stellt euch das mal vor mit dem Jesus, dem Brot des Lebens. Keine Zeit, kein Hunger und schmeckt nicht.
Die Analogie zum Brot passt auch hier. Aus den 300 Kilo von vor 200 Jahren sind vielleicht 60 Kilo heute geworden. Die anderen 240 Kilo, sie werden gesättigt mit vielem anderen: Sport, Fernsehen, Hobbys, Netflix, Kindertaxi, Internet und vielem mehr. Vieles davon ist wie in der richtigen Ernährung: leerer Zucker, Füller und Dickmacher, aber nicht alles davon macht auch wirklich satt, sondern einfach nur voll.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“.
Wenn wir heute diese Worte heute wieder miteinander beten, dann sind wir Teil einer Gemeinschaft von mehr als 2 Milliarden Christen weltweit, für die dieses Gebet das Grundgebet schlechthin ist.
Wenn wir um unser tägliches Brot bitten, dann ist das natürlich mehr als nur Brot. Es umfasst alles, was wir wirklich brauchen.
Aber was brauchen wir wirklich?
Im kleinen Katechismus gehört für Martin Luther zum „täglichen Brot“ alles, was „nottut für Leib und Leben, also Essen, Trinken, Kleider, Schuhe, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn ,stabiles Wlan und desgleichen.“
Das geht doch weit hinaus über das Existenz-Minimum, also über Essen und Trinken, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Für die meisten von uns sind das Selbstverständlichkeiten. Oder es sind Bedürfnisse aus einer anderen, vergangenen Welt. Wer will heute noch fromme und treue Oberherren, wer bittet heute noch für eine gute Regierung oder gutes Wetter – es sei denn für den Grillabend oder Urlaub.
All die frommen Menschen, die Luther hier aufzählt, die lassen ich auch mit dem Wort Gemeinschaft zusammenfassen. Und das Wort fromm, es kann so aufgefasst werden, dass es nicht nur um Gemeinschaft mit anderen Menschen, sondern auch mit Gott geht.
In Jesus wird Gott Mensch und will Gemeinschaft mit uns
haben. Wir sollen von den Lebensmitteln zum wahren Leben zurückfinden. Dieses Leben gibt es aber nicht im Supermarktregal. Wir finden es in der Begegnung mit Jesus, dem Sohn Gottes. Er verspricht uns: »Ich bin das Brot des Lebens«.
Jesus lädt uns ein, ihm zu vertrauen. Und sein Wort kann Leben verändern. Das Leben, das Jesus verspricht, deckt dabei nicht nur die Sonnenzeiten ab. Sondern er kümmert sich auch um die Schattenseiten, er spart Trauer und Schmerzen nicht aus.
In seinem Leiden und Sterben am Kreuz gibt Jesus sein Leben für uns Menschen. Und an Ostern wird dann deutlich, dass er den Mund nicht zu voll genommen hat.
Die Auferstehung ist die Bekräftigung, dass die Gemeinschaft mit Gott stärker ist als Tod und Sterben. Diese Gemeinschaft bietet uns Jesus als Brot des Lebens an. Ein Leben, das sich an all’ den anderen Lebensmitteln freut, aber nicht nach ihnen süchtig ist. Leben, dessen Lebenshunger gestillt ist.
Die Verheißung Jesu gilt auch heute noch: »Wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern.«
AMEN
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
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