Predigt Christvesper 2016
Amsterdam, 24.12.2016
Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Weihnachten ist deutsch.
Diese freche, besitzergreifende und nicht ganz ernstgemeinte Feststellung haben meineFrau und ich vor etwa 8 Jahren getroffen. Wir waren damals das zweite Jahr hier in Holland und es war die erste Weihnachtszeit im eigenen Haus und das erste Weihnachten, das wir hier komplett in Holland verbracht haben. Um uns ein wenigeinzustimmen sind wir in ein Weihnachtskonzert. Es war ein rumänischer Chor zu Gast in Den Helder und nachdem neben 3 englischsprachigen Liedern den ganzenAbend nur deutsche Weihnachtslieder gesungen wurden, kamen wir zurSchlussfolgerung, dass Weihnachten doch eine recht deutsche Angelegenheit seinmuss.
Nun könnte ich diesen Husarenstreich der Vereinnahmung des Weihnachtsfestes unter das deutsche Weißwurtsprotektorat natürlich weiter begründen.
Schließlich war es ein Deutscher, Martin Luther, der im Rahmen seiner Heiligen Kritik den Fokus weg vom katholischen St. Nikolaus als Geschenkebringer gelegt hat und Christus, genauer gesagt das Christuskind oder Christkind in den Mittelpunkt gestellt hat.
Auch der Weihnachtsbaum hat seinen Siegeszug aus deutschen Landen angetreten, Goethe und Schiller gehören zu den ersten, die ihn erwähnen.
Der Adventskranz schließlich ist wirklich sicher eine deutsche Erfindung, Wichern im Rauhen Haus hat diesen Brauch eingeführt und da seiner als Kalender genutzt wurde und neben den vier großen Kerzen noch bis zu 20 weitere hatte, ist dies auch die Stunde null des Adventskalenders.
Und Nürnberger Lebkuchen und Dresdner Stollen dürfen in dieser Aufzählung auch nicht fehlen.
Beweisen würde ich damit allerdings weniger, dass Weihnachten echt ein rein deutsches Phänomen ist, sondern mehr aufzählen, was für mich zu Weihnachten gehört.
Darum geht es wohl auch, wenn ich jetzt sage, dass wirklich etwas dran ist, das Weihnachten deutsch ist. Zumindest das Weihnachten, das ich feire und vor allem wie ich es feire.
Das Weihnachten auf das ich mich seit Anzünden der erste Kerze am Kranz hinarbeite und das damit bereits ein Stück anfängt, mit allen Gebräuchen, die ich mir nebst Kisten von Christbaumschmuck hierher importiert habe und nicht missen will.
Weihnachten hat etwas mit Heimat zu tun. Mit den eigenen Ursprüngen.
Das macht sich auch die Werbung zu nutze. Weihnachten in der Werbung, das ist nach Hause kommen, das ist mit Familie zusammenkommen. Oma und Opa kommen oder Opa lässt unter einem Vorwand schon mal die ganze Familie antanzen, um dann statt Leichenschmaus Weihnachtsbraten aufzutischen.
Edeka und der Flughafen London Heathrow haben mit Ihren Werbespots Ikonen der Werbeindustrie geschaffen.
Ja, die Werbeindustrie hat es verstanden, dass Weihnachten das Fest der Familie ist. Das Fest, das uns mit unseren Wurzeln verbindet und auf eine ganz eigene Art auch wieder ein Stück Kindheit entdecken und aufleben lässt.
Um Familie und Wurzeln dreht sich ja ohnehin der heutige Gottesdienst: Jesu Familie und Wurzeln.
Dem Evangelisten Markus war es nicht so wichtig, wie die Kindheit oder gar die Geburt von Jesus ausgesehen haben. Matthäus und Lukas aber, die beiden fanden es anscheinend wichtig zu erfahren und aufzuschreiben, was sich da vor gut 2 Jahrtausenden in Betlehem abgespielt hat und wo die Wurzeln Jesu liegen.
Die Fassung von Lukas, die ihren Platz in jedem Heiligabendgottesdienst hat, ist so eingänglich und verständlich wie wenige andere Stellen in der Bibel, insbesondere im Neuen Testament. Die Geburt eines Kindes. Noch dazu unter erschwerten Bedingungen. Das können wir nachfühlen, da können wir uns reinversetzen. Eine Geschichte, die jedes Kind begreift, die aber auch genug Facetten hat, um uns noch als Erwachsenen in Ihren Bann zu ziehen.
An keiner anderen Stelle wird die Verletzlichkeit und das Wahrmachen der Menschwerdung Gottes uns so begreiflich wie hier. Gott als der wahre Mensch. Hier ist, hier in der Krippe liegt der Anfang dessen was als „the greatest story ever told“ verfilmt und viel besprochen wurde.
Und gleichzeitig können wir uns selbst an die Krippe eingeladen fühlen. Kommet Ihr Hirten haben wir gesungen. Kommet ihr Männer und Frauen. Ein anderes Weihnachtslied läd die Kinder ein – Ihr Kinderlein kommet. Jeder ist willkommen anzuschauen, was Gott Gutes an uns Gutes getan hat. Jeder.
Das drückt sich in der Bibel in der illustren Gesellschaft aus, die da auf „Kramvisite“ vorbei kommt, angefangen mit Ochs und Esel. Es sind zuerst die Hirten, die kommen. Grobe Kerle, schmutzige Kleidung. Menschen, die mehr mit Schafen als mit Menschen zu tun hatten und die sicher nicht besonders fromm oft die Synagoge besucht haben. Sie waren die ersten Zeugen.
Ganz entgegen gesetzt hierzu die Engel. Leuchtende Wesen, direkt von Gott geschickt. Sie, die die Hirten erst erschreckt haben und von denen ein Engel Ihnen dann zusprach: Fürchtet Euch nicht! Ich verkünde euch große Freude!
Und wenig Tage später kamen auch noch die drei Männer aus dem Morgenland, um dem neuen Kind die Aufwartung zu machen. Wichtige und reiche Männer, die eigentlich gar nicht in das Bild vor den Stall passen mit Ihren kostbaren Gewändern.
Es zeichnet sich bereits früh ab, was das Leben Jesu später prägen wird: Menschen aller Klassen, verschiedener Kulturen und unterschiedlicher Lebensbilder kreuzen seinen Weg.
Und werden verändert. Hirten und Weise, Römische Soldaten und Pharisäer. Fromme Jerusalemer Juden bis hin zur Samaritanerin.
Eingangs bei der Begrüßung habe ich vom emotionalen Höhepunkt des Kirchenjahres gesprochen. Das emotionale an Weihnachten hat viele Facetten und ich habe lange nicht alle angeschnitten. Das eingänige Bild der Geburt. Aber auch das Gefühl eingeladen zu werden, angenommen zu sein, geborgen zu sein, dazu zu gehören. Das sind Gefühle die zu Weihnachten gehören. Und die wir zu allererst – die meisten jedenfalls – mit Familie verbinden. Weihnachten, das Fest der Familie und der Liebe.
Und da komme ich dann zurück, auf was ich eher erzählt habe. Wenn ich sage, Weihnachten ist deutsch und selbst Weihnachten deutsch feiere, dann hat dies etwas damit zu tun, dass ich dadurch auch an meine Kindheit und an meine Familie, meine Geschwister, Eltern und Großeltern denke. Mich ihnen verbunden fühle.
Es hat auch etwas damit zu tun, dass Menschen, wenn sie sich in anderen Sprachen unterhalten, angeblich auch andere Personen sind. Es ist etwas, dass eine Freundin der Familie, die selbst nicht Deutsche ist, mir vor der Taufe eines unserer Kinder erzählt, bzw. gefragt hat. Ob es schlimm sei, wenn sie in einer deutschen Kirche das Vater Unser in Ihrer Muttersprache mitspricht. Nicht, dass sie es nicht auf Deutsch oder Niederländisch oder Englisch sprechen könne. Aber wirklich fühlen, kann sie es nur in Ihrer Muttersprache.
Mein Weihnachten ist deutsch und das ist keine Abwertung oder überhaupt Wertung, Es heißt nur, dass Weihachten ein emotionales Fest ist, das uns – zumindest mich – noch immer ganz tief berührt und an meine Wurzeln führt und bindet. Mich erdet.
Und dann, muss ich es doch ansprechen, etwas das sicher nicht nur mich diese Woche berührt hat. Denn da war noch ein anderer deutscher Weihnachtsbrauch: der Weihnachtmarkt.
Am Montag lese ich in der einen Minute noch einen Artikel in der Süddeutschen darüber, dass den Kopenhagenern ihre Weihnachtmärkte zu Deutsch sind. Nicht dänisch genug.
In den nächsten Stunden danach kommen die Bilder und Berichte aus Berlin auf allen News und Sozialmedia Kanälen rein.
Spätestens als sich erste Freunde von mir via Facebook als sicher markieren, wird mir klar, wie nahe mir dieser 800 km entfernte Ort doch ist, wie nahe mir das dort passierte geht.
Und dann fehlen die Worte.
Die Zeitung die Welt hat am nächsten Morgen nicht nur die Ereignisse selbst, sondern auch die Reaktionen dazu in einem Facebook Post kommentiert. Sie hat ein Zitat aus Star Wars gepostet, ein Zitat von Yoda: „Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut. Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“
Nicht nur als Star Wars Fan halte ich dieses Zitat aus einem Science-Fiction Film für angemessen und nicht zu trivial, bloß, weil es aus einem Fantasiefilmkommt. Nein, auch hier auf der Kanzel stehend. Mit dem Wissen, wie sich manche noch Montagabend diese Katastrophe, dieses Verbrechen in Berlin zu eigen gemacht haben, um eben Furcht zu schüren.
In einem Kommentar der Süddeutschen von Mittwoch schließt sich Kurt Kister dem inhaltlich an, wenn er schreibt, dass Hass gefährlich ist und dumm macht. Man sehe dies an den Terroristen.
Hass kann im Lichte der Weihnachtsbotschaft nicht die Antwort sein.
Vielleicht ist in der Stille der Heiligen Nacht kurz Zeit, um darüber nachzudenken. Nicht nur über das Schreckliche, das passiert ist, oder über ein doofes Filmzitat.
Sondern mit Blick auf all diese Ereignisse und all die Reaktionen darauf – vielleicht findet sich die Zeit über die zentrale und ganz wichtige Botschaft des Engels nachzudenken:
Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR
AMEN
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
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