Homo Ludens,  Homo Politicus,  Pater Familias

Manege frei

Der Zirkus ist in der Stadt! Also im Dorf, Julianadorp, 4 Wochen lang steht auf dem „Festivalgelände“ des Dorfes der Zirkus, mit seinen Zelten, Wohnwagen, Ställen und grasenden Pferden und Kamelen.

Fast jedes Jahr gastiert Zirkus Renz aus Berlin hier in Julianadorp – mit Ausnahme der Coronajahre – mal eine Woche, mal einen ganzen Monat. Bisher bin ich immer drum herum gekommen, in den Zirkus zu gehen, aber dieses Jahr habe ich doch Karten gekauft und sind wir hin gegangen.

Mein letzter Zirkusbesuch ist so lange her, dass ich mich nicht wirklich dran erinnern kann und nur noch weiß, dass ich ihn nicht gut fand. Als sicher mehr als 4 Jahrzehnte war ich nicht selber im Zirkus und mein Bild und meine Erwartungshaltung sind dann irgendwo zwischen den Zirkus Krone Fernsehshows, Salto Mortale und dem Zirkus Besuch von Pippi Langstrumpf.

Letzteres ist dann am ehesten das, was uns erwartet hat. Ein kleiner Familienzirkus, bei dem aus den Akrobaten bei den Nummern der anderen Bühnenarbeiter werden. Sicher 4 verschiedene Menschen habe ich am Mischpult hinter der Bühne im Laufe der Vorstellung gesehen und die Kartenabreißer und Platzanweiser standen kurz später selber in der Manege. Eine kleine und eingeschworene Gemeinschaft, in die man auch heute noch wahrscheinlich hineingeboren wird und von Kindesbeinen an mitmachen muss, so wie der kleinste Clown wahrscheinlich nicht – wenn überhaupt – älter als meine Tochter war.

Wo am Christbaum früher mehr Lametta hing, da waren es im gleichen Früher die Wildtiere, die den Glämmer vom Zirkus ausmachten. Bis vor ein paar Jahren durfte Zirkus Renz Berlin noch seinen alten Elefanten mit sich nehmen, allerdings waren damals , seit 2015, Auftritte bereits verboten. Raubkatzen gehörten eh nicht zu diesem Zirkus und sind natürlich eh ein Tabu mit einer Auffangstation für Raubkatzen keine 10 km Luftlinie von hier entfernt.

Verblieben sind 4 Kamele und mehrere Pferde, die in den Vorstellungen auftreten. So ist eine Dressurnummer auch eine der ersten Nummern im Programm. Nicht ganz Spanische Hofreitschule und etwas aus der Zeit gefallen, da die meisten Zuschauer wahrscheinlich nie selbst versucht haben, auf einem Pferderücken einen Gaul nach ihren Anweisungen tänzeln zu lassen.

Bei den anderen Nummern, bei denen niemand auf den Tieren sitzt (es lagen Voltigiersättel neben dem Bühneneingang und es gibt Fotos von solchen Nummern wenige Tage vorher), stellte sich nicht nur mir die Frage, ob das wirklich eine artgerechte oder zumindest nicht tierquälende Haltung. Bei den Pferden auf den Hinterläufen dachte ich, dass sieht nach Panik aus und auch eine Pferdehüfte ist van Natur aus nicht dafür gedacht.

Die Akrobaten haben an Seilen, Netzen, (Laternen-)Stangen und mit anderem Gerät zwar Kunststücke vollbracht, die ich im Leben nicht hinbekommen würde, aber eben auch nicht so spektakulär, dass ich nicht jeder Zeit einen Wassersprung Wettkampf als anspruchsvoller und interessanter ansehen würde.

Die Abschlussnummer bestand aus jeder Menge Feuer. Eine Kiste, in der eine Artistin drin war und in die statt Schwertern Fackeln gesteckt wurden und aus der am Ende eben diese Akrobaten wieder auftaucht ohne verletzt zu sein gehörten ebenso dazu wie eine kleine Feuerpyramide am Ende mit allen Mitwirkenden.

Den Kindern hat’s gefallen und auch für mich verging die Zeit schneller als erwartet. Vom Hocker gerissen hat mich die Vorstellung nicht. Das Zelt hat schon bessere Zeiten hinter sich (ja, was aussieht wie Loch im Dach ist Loch im Dach und es regnet rein), die Tiere sahen nur begrenzt gepflegt aus, die Laune der Artisten war gezwungen fröhlich (trotz vollem Haus) und die Clownsnummern waren einfach nur lahm. Aber irgendwie freut es mich doch, dass diese aus der Zeit gefallene Art der Unterhaltung weiterhin existiert. Es wäre schade, wenn Wanderzirkusse irgendwann aufhören würden zu bestehen – obwohl ich die Gefahr durchaus sehe. Vielleicht in ein paar Jahren mal wieder.


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