Homo Ludens,  Homo Politicus,  Pater Familias

Geschichte etwas näher als einem manchmal lieb ist

Die Geschichte der Judenverfolgung und -ermordung in den Jahren der NS-Diktatur ist zu Recht gut und häufig in Literatur, Film, Unterricht, Wissenschaft und Kunst vertreten und vergegenwärtigt. Rational und para-sozial emotional kann man sich auf unterschiedlichste Weise mit diesem Thema beschäftigen.

Aber wie und wann erklärt man das einer 9-Jährigen. Wie und wo hat man selbst eine Beziehung zu einem Opfer oder Täter (davon ausgehend, dass die Generation der Opfer und Täter immer kleiner wird)?

Ein wenig haben wir diese Frage in den Weihnachtsferien in Berlin beantwortet bekommen. Nachdem wir im Sommer unserer Tochter bereits bei der Reichstagsführung das Thema Mauertote, vor allem tote Kinder, erklären mussten, waren es dieses Mal zwei Stolpersteine, über die wir sinnbildlich gestolpert sind und die nicht nur bei meiner Tochter zu Stirnrunzeln und (doch heftigen) Emotionen geführt haben.

Wir haben das Haus aufgesucht, in dessen Hinterhaus Die UR-Oma meiner Tochter, Oma ihrer Mutter, gewohnt hat. Von Geburt bis zu ihrem Tod im Februar 2006 hat sie 9 Jahrzehnte lang immer im gleich Haus gewohnt. Meine Frau hat dort nicht nur Familienbesuche verbracht, sondern selber auch zwei Jahre im gleich Haus gewohnt. 

Jetzt liegen dort vor dem Haus zwei Stolpersteine, sowie auch in der ganzen Strasse mittlerweile etlich dieser Mahnmale auf dem Bürgersteig eingelassen sind. Die verschleppten und später ermordeten aus diesem Haus waren in etwa im Alter der der Oma und Mutter meiner Frau. “Eigentlich mussten sie die gekannt haben, aber erzählt hat nie jemand über sie.” Wahrscheinich eine der ur-deutschen Reaktionen auf diese Steine und velleicht einer der Gründe, dass diese Steine immer wieder Ziel von Vandalismus sind und sie oft nur langem Gezerre in Verwaltungen und mit Hauseignern gelegt werden können. Verdrängung, Scham, Schuld – alles Worte, die mir in dem Zusammenhang einfallen.

“Ermordet” steht auf den Steinen und das ist dann der Punkt, an dem man seiner 9-jährigen Tochter grob auf der Straße stehend erklären muß, was damals passiert ist, was Menschen anderen Menschen angetan haben.  Aber wie erklärt man etwas, dass man selber kaum versteht – ungeachtet aller geschichtswissenschaftlichen Evidenz, dass es passiert ist?

 


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