Homo Ludens

Die (wahre) heilige Dreieinigkeit

Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler-Muskau, ab 1822 Fürst von Pückler-Muskau ist eine Person, die wahrscheinlich kaum jemand aktiv kennt. Keine großen Erfindungen, keine wichtigen Entdeckungen und auch keine Kriege gewonnen. Nicht einmal das nach ihm benannte Eis hat er erfunden, es wurde einfach nur nach ihm benannt und ihm zu Lebzeiten gewidmet.

In vier Tagen in Deutschland ist mir dafür diese gefrorene Speise gleich zweimal begegnet: ein älterer Herr im Supermarkt hat mehrere Packungen auf das Einkaufsband gelegt und in der Jugendherberge gab es als Nachtisch Samstag Eis nach Fuerst Pückler Art (Eis FPA).

Eis FPA wird bereits seit 1839 in Kochbüchern erwähnt und wurde wohl früher bereits so zusammengestellt. Doch sind es für mich mehr die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, also 150 Jahre später, zu denen dieses Eis als Teil der Kultur eben dieser 80er Jahre gehört. NDW, Grüne, RAF Poster in der Post und eben Eis FPA in Waffeln. Nicht nur Vanille. Oder nur das, was am Stiel hängen bleibt. Eine dicke Schicht Eis in drei Geschmacksrichtungen, in einer Waffel, mit der man es wie eine Wurstsemmel essen kann.

Allgemein werden die 60er Jahre gern als die Jahre des Wirtschaftswunders gezeigt, mit Filmaufnahmen von Haxen und Klößen, die vollmundig gegessen werden. Die Wohlstandsverwahrlosung dieser Jahre ist aber nur der Anfang. Viele Dinge, die meine Eltern in meiner Kindheit, also in den 80er und 90er Jahren, als ihr Weltbild an uns Kinder weitergegeben haben und leider zum Teil immer noch so sehen, kann ich heute nur als Trugbilder einer Wunschwelt deuten.

Da war zum Beispiel die Kritik an einem Onkel, der anstelle des dicken Mercedes den kleinen Ford Fiesta genommen hat, um zzur Arbeit zu fahren. Seine Frau hat dann die 150 Meter zu ihrer Arbeit mit dem Daimler zurückgelegt. Um bei den Nachbarn anzugeben? Kilometer zu sparen, auf dem Auto, dass dank Mitarbeiterrabatt nach einem Jahr mit Gewinn verkauft werden konnte? Heute machen wir das Gleiche, bzw. haben eine Weile das gleiche gemacht: wer alleine die längere Strecke fährt nimmt das „kleine“ Auto. Ja, weil es billiger ist, weil es weniger Sprit verbraucht, umweltschonender ist und der andere daheim eben die größere Chance hat, dass die Kinder gefahren werden müssen.

Auch die Doktrin, dass immer Fleisch auf dem Tisch sein muss. Natürlich begreife ich, dass wenn man Zeiten erlebt hat, in denen Fleisch eben nur ein Sonntagsbraten war (wenn überhaupt jeden Sonntag möglich), dass dann Fleisch einen ganz anderen Stellenwert bekommt. Auch wenn man Mangelerscheinungen mitgemacht hat, die von Fleischmangel und Unterernährung im Allgemeinen herrühren. Doch dann andere Lebensformen nieder zu machen – „so ein tolles Büfett und die Hühner haben sich nur Salat genommen“ – sagt genau den Kulturkampf voraus, den wir heute erleben. Auch ich habe so manchen Witz ueber Veganer gemacht – mache ich immer noch, weil die sind ja auch so niedlich und meistens dünnhäutig – aber was wird mir denn genommen, wenn jemand anders sich eben nicht von Fleisch ernähren will. Ist es wirklich der Rede wert, wenn ich nicht mit saufen will, während andere sowohl ein Bier- als auch ein Weinglas vor sich haben – beide gefüllt?

Die Dosis macht das Gift, so etwa lautet wohl ein Satz von Paracelsus. Leider vergifte ich mich noch immer selbst viel zu viel. Das Kind der wohlstandsverwahrlosten 80er Jahre isst zu viel Fleisch, macht zu wenig Sport, trinkt zu oft Wein und Schnaps, nascht vor dem TV, kann keine Reste in Töpfen überlassen und vor allem auch im Restaurant nichts in die Küche zurückgehen lassen.

Die eigene Nase und die eigenen Vorurteile sollte ich wohl erst einmal anpacken – den Dorn im eigenen Auge sehen und dann den inneren Schweinehund überwinden….. ab morgen. Oder Übermorgen. Oder zumindest irgendwann….

Vielleicht als gutes Vorbild auch schon eher; nicht, dass in 30 Jahren meine Kinder genauso werden!

Ob der Fuerst und Landschaftsarchitekt jetzt wohl glücklich wäre, dass mehr als 100 Jahre nach seinem Tod sich jemand früh morgens Gedanken macht, nur wegen einer Süßspeise, die zufällig nach ihm benannt wurde?


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