Der Pazifist in mir hat ganz schon was zu verdauen
Bis vor etwa zwei Wochen haette ich mich sicher als einen astreinen Pazifisten bezeichnet: Diplomatie bis zum Umfallen ist immer besser als auch nur einen Schuss abzugeben. Die 2% als Investitionsziel fuer den Verteidigungshaushalt lehn(t)e ich ebenso ab wie die Wehrpflicht. Volkswirtschaftlich gesehen sind Ruestungsinvestitionen ja auch so clever wie Metall kaufen und dann in den Ocean versenken. Die Bundeswehr und wahrscheinlich die meisten Armeen auch der westlichen Welt sind ein Sammelbecken fuer Rechtsextreme mit viel zu kleinen P…. anzerfaeusten. Meine politische Grundhaltung zum Militaer laesst sich dann auch irgendwie zusammen im Grafiti, dass bei der Bushaltestelle zu sehen, an der ich als 11jaehriger zur Schule aussteigen musste: Macht Petting staat Pershing!
Natuerlich bin ich auch Realist genug um zu wissen, dass eine gewisse Grundverteidigung und im Rahmen von NATO und/oder EU auch eine Buendnisverteidigung moeglich sein muss. Gleichzeitig natuerlich immer diese Skepsis gegen das Militaer.
Gefuettert wurde dieser Pazifismus durch McDonald’s. McDonald’s? Ja. Ich erinnere mich dunkel daran, wie die erste McD Filiale in Russland eroeffnet wurde. In Geschichtssendungen kommt dies dann auch manchmal vor. Der Einzug eines der Symbole der westlichen Marktwirtschaft mitten ins rote Herz der damaligen UDSSR war ein Meilenstein. Zeitenwende ist ein Begriff, der auch gerade (wieder?) die Runde macht und damals auf alles passte, was Ende der 80er, Anfang der 90er in der Welt passiert ist. Ab der Wende, dem Mauerfall und der Wiedervereinigung war Politik fuer mich etwas, bei dem das Gute doch gewinnt. Friedlicher Protest (und fehlende Kohle) haben den “boesen” Osten in die Knie gezwungen und auch dort haben sie eingeshen, dass kalter Krieg nicht so dolle ist.
Einerseits naiv, dass ich und auch grosse Teile von Politik und Gesellschaft so gedacht, gefuehlt und danach gehandelt haben. Auf der anderen Seite dachte ich mir heute morgen (6:00 Uhr frueh, im Auto wartend vorm Schwimmbad, Anstalt schauend), dass mich das auch erinnert an etwas, was jemand ueber Afganistan und die Entwicklungen dort vor wenigen Monaten sagte: Ob es nicht verschwendete Muehen waren, die 20 Jahre lang viel Geld und auch Menschenleben gekosten haben. Die Antwort war, dass es dadurch aber auch 20 Jahre waren, in denen Frauen und Maechen zur Schule konnten, in denen ein Stueck Freiheit gelebt werden konnte, in denen auch ein Samen von guten Gedanken gepflanzt wurde. So aehnlich geht es mir, wenn ich ueber die letzten 3 Jahrzehnte nachdenke: natuerlich kann man sagen, dass war alles fuer den Hintern und wir haetten viel eher aufmerksam und wachsam sein muessen. Gleichzeitig haben wir dadurch aber 3 gute Jahrzehnte gehabt, in den wir (vor allem zum Schluss zu) positiv auch nach Russland geschaut haben.
Es ist ein wenig wie mit der Grille und der Ameise. Oder wie mit Josef, dem aus der Bibel, der erst verkauft wurde und anschliessend durch gutes Management eine Hungersnot gemeistert hat. Wir haetten vielleicht tatsaechlich ein bisschen mehr investieren sollen in den 30 guten Jahren um uns besser vorzuebreiten auf die naechste Zeit – hoffentlich keine weiteren 30 Jahre neuer kalter Krieg.
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